Verboten
Wie jeder Joker seinen Batman hat,
jedes Yin sein Yang, so hat jede Gesellschaft
ihre Verbote. Einfach zu
umgehen sind diese nicht, selbst
dann nicht, wenn sie vollkommen
sinnlos sind. Einzig das letzte Jahr
war schlimm genug, man hätte es
verbieten müssen. Zwar haben wir
die Weltwirtschaftskrise tadellos
überwunden, gelernt dabei allerdings
gar nichts. Auch ist uns das
Staunen nicht abhanden gekommen,
etwa darüber, wie Merz und Leuenberger
mehr sitz- als sattelfest im
Amt standhaft verharren. Minarette
sich wer kann – sogar die all-included-
Umfrageergebnisse eines Claude
Longchamp unterliegen künftig
der Geheimhaltung. Die Umfragen
finden nach wie vor gegen Bezahlung
der SRG statt, verboten wird nur deren
Publikation. Womit wir vom
zweitgrössten Ärgernis zum grössten
gelangen, den behördlichen Verboten
nämlich.
Die Hermandad sorgt schon dafür,
dass alle Verbote auch dann publiziert
werden, wenn sie nonsens sind.
Dass wir im Ausland auf die seltsamsten
Verordnungen stossen, ist
ja allgemein bekannt. In Siena zum
Beispiel, wo es allen Frauen verboten
ist, als Prostituierte zu arbeiten, wenn
ihr Vorname Maria ist. In Michigan
ist es strafbar, seine Frau an einem
Sonntag zu küssen und in Frankreich
darf man das nicht auf einem Bahnübergang.
In Detroit ist es Männern
gesetzlich verboten, ihre Frauen an
Sonntagen böse anzuschauen, während
in Arkansas ein Ehemann gemäss
einem Gesetz seine Frau nur
einmal im Monat schlagen darf.
Solche Einschränkungen sind es, die
uns die kleinen Freuden des Alltags
verderben.
Allein für die Raucher war
es ein annus horribilis mit all den
Verboten. Die Heilsbringer finden
immer Wege, um die letzten Verordnungslücken
zu stopfen. Klar, Restaurants
sind tabu, da kämen die
wärmenden Heizpilze vor der Türe
doch gerade recht. Im Einklang mit
Klimaschützern verbieten Behörden
diese Geräte, weil Propangas die
Umwelt belastet.
Wenn dann die letzte Quartierbeiz
dicht gemacht hat und die Strassen
leer gefegt sind, kommt die nächste
Eskalationsstufe. Es geht dann gegen
die Passivraucher, die aus dem Haus
gehen, ohne vorher geduscht zu haben.
Lehrer, Verkäuferinnen, Krankenschwestern
stehen dann alle unter
Generalverdacht, mit ihrem Passivrauch
jene anzustecken, die mit Passivrauchen
bereits aufgehört haben.
Dann schlägt die Stunde der ganz
Schlauen, die daraus schliessen, die
Herzinfarkte würden innerhalb weniger
Wochen um 20 % zurückgehen.
Das gleiche Resultat stellt man auch
fest, wenn man keine Hamburger
mehr isst oder aus statistischen
Gründen einfach ein anderes Spital
aufsucht. Weil die Herzinfarkte sowieso
rückläufig sind.
Bislang durfte sich die Stadt Chur
schämen, das schärfste Polizeigesetz
der Schweiz zu haben.
Erlösung
aber naht, Zürich wird schon bald
schärfer. Das neue Erziehungsgesetz
des Stadtrates umfasst 32 Verbote,
die kaum durchsetzbar sind. So wäre
es eigentlich verboten, Personen
oder Tiere zu erschrecken. Man darf
sie zwar erschiessen, vom Flamingo
bis zum Feldhasen, aber bitte nicht
erschrecken. Sie könnten sonst daran
sterben. Auch Menschen dürfen
nicht mehr erschreckt werden. Was
anderes aber macht Nella Martinetti
bei ihren öffentlichen Auftritten?
Gemäss Artikel 15 sind Reinigungsund
Reparaturarbeiten an Fahrzeugen
und Geräten auf öffentlichem
Grund verboten. Wer also einen
Plattfuss auf dem Bürkliplatz hat,
lasse seinen Wagen stehen und mit
ihm die ganze Kolonne dahinter.
Schön auch die Bestimmung, wonach
man eine Bewilligung zum Übernachten
im Freien auf öffentlichem
Grund benötigt. Zarli Carigiet singt
im Stück «Eusi chlii Stadt» noch unwissend:
«Mis Dach isch dä Himmel
vo Züri, und s’Bellevue mis Bett, woni
pfus …» Ob er die nötige Bewilligung
eingeholt hat?
Stefan Bühler