Berufsbilder
Dass es auch äusserst seltsame Berufe
gibt, hat uns einst Robert Lembke
beigebracht: Schmetterlingsbetreuer,
Strohdachbauer, Leistenmodellistinnen,
Lohnbrennerinnen und Totenkopfbemaler
waren Gäste im Fernseh-Ratequiz
«Heiteres Beruferaten». 337 Folgen
lang «Was bin ich?» mit immer der
gleichen einleitenden Frage: «Welches
Schweinderl hätten’s denn gern?».
Heutige Berufe erfordern andere Profile:
Dealer, Trader und Zocker verklärt
das Schweizer Fernsehen zu Glücksrittern.
Man darf sie Schweinderl nennen,
weil es das Berufsbild genau trifft, aber
bayerisch niedlich tönt.
Bei Robert Lembke gab es maximal
50 Franken zu gewinnen, nicht zu vergleichen
mit «Deal or No Deal», dessen
Moneygirls nicht annähernd an
das CinCin-Ballett aus «Tutti Frutti»
herankamen. Roman Kilchspergers
Dealershow verschwindet in der Versenkung
und keiner wird sie vermissen.
Ihn sind wir deshalb noch lange nicht
los. In der neuen Show «Traders» verfügt
er wiederum über viel Geld zum
Verjubeln, 120 000 Franken winken
dem Gewinner.
Dabei gäbe es doch so viele andere
anständige Berufe. Nein, diesmal soll
nicht die Rede sein von den Berufsromanen,
um diese kümmert sich der
Verkehrsverein. Es geht um härtere
Kaliber. Kürzlich suchte eine Inkassogruppe
im Stellenanzeiger «Hardcore-
Jungs» zum Schuldeneintreiben. Das
Anforderungsprofil erfüllen vorwiegend
Stellensuchende mit Migrationshintergrund,
werden doch 190 cm grosse
Kampfsportler, Bodybuilder oder Kriegsveteranen
aus Russland, Ex-Jugoslawien,
Afrika oder der Fremdenlegion
gesucht. Unerwünscht ist gemäss Stelleninserat
der Typ «Spargeltarzan», verlangt
wird zudem «Grips im Hirn».
Die Firma aus Baden treibt gemäss
eigenem Profil mit Kriegsveteranen
Geld bei Schuldnern ein und bietet
damit einen Beruf mit Potenzial.
Immerhin
war auch der spanische Nationaldichter
Miguel de Cervantes Steuereintreiber,
bevor er Schriftsteller wurde.
Dass er wegen Veruntreuung von
Staatsgeldern zwei Mal im Gefängnis
sass, war schliesslich ein Glücksfall. Er
schrieb eines der wichtigsten Werke
der Weltliteratur, den Don Quijote de
la Mancha. Cervantes war ebenfalls
Kriegsveteran. Er kämpfte im Jahre
1571 in der Schlacht bei Lepanto gegen
die Türken und später gegen die
Portugiesen, war Kriegsgefangener in
Algerien und verlor im Kampf eine
Hand. Aber nicht den Verstand.
Anders erging es Erich von Däniken,
der selbst nie Schuldeneintreiber war.
Wegen seiner eigenen Schulden aber
im Gefängnis landete und im Churer
Sennhof während der 452-tägigen Untersuchungshaft
sein zweites Buch
«Zurück zu den Sternen» schrieb. Keine
Weltliteratur zwar, für ihn selbst aber
sicher ein Glücksfall.
Früher hiess es noch lapidar: «Wer
nichts wird, wird Wirt. Und ist ihm
dies auch nicht gelungen, reist er auf
Versicherungen.» Bestimmt nicht der
richtige Weg zur beruflichen Befriedigung,
wie eine Umfrage über die unbeliebtesten
Berufe zeigt.
Spitzenreiter
der Ungeliebten ist der Beruf des Versicherungsvertreters,
der Lehrerberuf
landet auf dem sechsten, der Journalistenberuf
auf dem zehnten Rang.
Lehrer will keiner mehr werden, die
Zukunft gehört der Quereinsteigerin.
1400 Hausfrauen, Sekretärinnen und
Stewardessen von Litauen bis Rumänien
bemühen sich allein in Zürich um
die Lehrer-Schnellbleiche. Erbleichen
müssten die Politiker wegen ihrer
Schnapsidee, es dürfen nur mehr
Gstudierte unsere Kindergärtner und
Erstklässer unterrichten. Damit wurde
ein ganzer Berufsstand an die Wand
gefahren.
Wieso hingegen der Journalistenstand
so unbeliebt ist, bleibt unerklärlich.
Ein idealer Job gerade auch für lernbehinderte
und verhaltensgestörte Kids.
Tele Südostschweiz hat laufend Bedarf
an Moderatoren. Die meisten Journalisten
lieben ihren Beruf, es ist bloss
die Arbeit, die sie hassen. Wer die Berufswahl
hat zwischen Journalist und
Terrorist, wähle ersteres. Wohl wissend,
dass Terroristen im Gegensatz zu Journalisten
noch Sympathisanten haben.
Stefan Bühler