Ausreden
Bevor Mann etwas zugibt, sucht er
nach einer Ausrede. Und erwartet,
dass Frau ihn auch ausreden lässt.
Klar, dass er dabei äusserst kreativ ist,
machen Ausreden doch das Leben
erträglicher, einfacher und schöner.
Den Kindern kommt dabei der Umstand
zugute, dass sie schon früh von
ihren Vätern lernen können. Lehrer lassen
sich dann in der Schule am besten
testen. «Ich musste zum Arzt wegen
einer schmerzhaften Schnürsenkelzerrung
» oder «Unsere Katze hat mich
mit einem Angoravirus angesteckt».
Ausreden haben allgemein stark zugenommen
und das hängt mit dem
Handy, Blackberry und iPhone zusammen.
Die Beschränkung auf 160
Zeichen macht es auch einfacher, eine
kurze Ausrede zu platzieren, so etwa:
«Ich weiss nicht, wie mein Leben in
Zukunft ohne Dich sein wird, aber ich
probiere es einmal.» Sogar garantiert
unnütze Ausreden sorgen wenigstens
für Zeitgewinn, auch wenn sie nur beschränkt
alltagstauglich sind wie «Ich
hab deshalb bei meiner Sekretärin
übernachtet, weil es noch so viel zu
besprechen gab».
Die Historie der wichtigsten Ausreden
beginnt ganz früh. Schon Adam kannte
für die Vertreibung aus dem Paradies
nur eine Schuldige: «Eva war’s!»
Die wiederum zeigte auf die Schlange:
«Sie hat mich verführt!» Inzwischen
hat die Kreativität
zugenommen. «Ich
bin nicht Kunde bei Wegelin & Co.,
weil es meine Frau schon war.» Napoleon
III. benutzte diese Ausrede, die
heute als Werbebotschaft der ältesten
Privatbank dient. Offensichtlich
unter Missachtung des Bankgeheimnisses,
denn jetzt wissen alle, dass
Kaiserin Eugenie von Frankreich ein
Konto bei Wegelin hatte.
«Hand aufs Herz, ich war es nicht.
Und wenn doch, dann war alles unschuldig.
» Diese Ausrede von Silvio
Berlusconi über die Paparazzi-Fotos
von wilden Partys in seiner Villa, auf
denen junge Frauen im Tanga tanzen,
ist wenig glaubwürdig. Dann schon eher
seine Empörung über die Anklage im
kommenden Prozess, aus der hervorgeht,
dass er 30 Frauen gleichzeitig
beglückt haben soll. Keine Ausrede,
eher ein Wunder.
Scheint fast so, als ob Berlusconi von
Bill Clinton gelernt hat. Auch dieser
hatte bekanntlich keine sexuelle Beziehung
zur Praktikantin Monica Lewinsky.
Wer sie gesehen hat, würde
das auch abstreiten.
Das alles sind Ausreden der hormonellen
Art, wirkliche Empörung verschaffte
einem schon der BP-Manager,
der das Abschalten der Alarmanlage
auf der Ölplattform im mexikanischen
Golf damit begründete, dass man die
Arbeiter in der Nacht wegen allfälliger
Fehlalarme nicht habe wecken wollen.
Charlie Sheen, arbeitsloser amerikanischer
Onkel, machte vor Gericht geltend:
«Es war ein Versehen. Ich habe
vergessen, dass ich einen Revolver in
der Hosentasche hatte.» So lautete
seine Ausrede, nachdem er seiner Verlobten
Kelly Preston in den Arm geschossen
hatte. Sie fühlte sich irgendwie
verletzt und änderte den Status
auf Ex-Verlobte. Charlies weitere Ausrede
in einem anderen Gerichtsverfahren
führte ebenfalls zu einer Statusänderung:
«Ich bezahle Frauen, nicht
für Sex. Ich bezahle sie dafür, dass sie
wieder gehen.»
Die kreativsten Ausreden stammen
allerdings von aktiven und ehemaligen
Sportlern. Lothar Matthäus verpasste
einen Auftritt in Arosa, wohl weil er
bei der Geburt seiner neuen Gattin
dabei sein wollte. Und ein 26-jähriger
brasilianischer Fussballer brillierte mit
der schrillsten Fussballer-Ausrede der
Geschichte. Er täuschte eine Entführung
vor – inklusive Schmuckklau aus
seinem Appartement. Nur dumm, dass
die Überwachungskamera alles aufnahm
und ihn als knallharten Lügner
entlarvte. Und bewies, dass er erst
fünf Stunden vor Trainingsbeginn um
4 Uhr morgens nach Hause kam. Offensichtlich
war er vorher verführt,
und nicht entführt worden.
«Es war der Kopf Maradonas und die
Hand Gottes», sagte Diego Maradona
an der WM 1986 in Mexiko. Und das
klang glaubwürdig. Darum zum Fazit:
Alles wird teurer, nur die Ausreden
werden billiger.
Stefan Bühler