Hoch und Tief
Den 28. September sollten wir uns
merken. Ab diesem Stichtag kann
man nämlich als Taufpate einem wettermässigen
Tief oder Hoch einen Vornamen
geben. Ein Hoch, das deinen
Namen trägt. Wie jenes vom 15. November
2010, das «Stefan» hiess. Kostenpunkt
299 Euro.
Eine Tiefdrucklage oder eine Hochdrucklage
über Europa bekommt jeweils
einen weiblichen oder männlichen
Vornamen. Wir alle erinnern uns noch
an den Orkan «Vivian» und im laufenden
September werden allfällige Hochs
«Ulla», «Viola» und «Walli» heissen.
Man könnte nun meinen, weibliche
Vornamen eignen sich besonders für
Tiefs und männliche für Hochs. Dem
ist nicht so. Das für die Namensvergabe
zuständige Institut in Berlin will
sich nicht exponieren und wechselt
jedes Jahr ab. Die raren Hochs im laufenden
Jahr tragen weibliche Namen,
nächstes Jahr sind die Frauen für die
Tiefs verantwortlich.
Im Vorfeld der Nationalratswahlen ist
es ein leichtes, den Kandidaten ein
Hoch oder Tief zu schenken. Leider
lassen sich in unseren Breitengraden
keine Namen für Tsunamis vergeben.
Immerhin, ein Tief «Jürg» lässt unweigerlich
auf den Wechselkandidaten
Jürg Gehrig hinweisen, der auf dem
Weg zu seiner politischen Bestimmung
von der SVP zur BDP weiterzog.
«Jürg» verspricht dann wechselhafte,
zumeist durchzogene Sessionen.
Angekündigt hat sich auch schon das
Hoch «Tarzisius», das vom Steigwind
der Bündner Olympia-Kandidatur profitieren
kann. Die ersten Gewitterwolken
dürften aber nicht lange auf sich
warten lassen, spätestens bei der
Abstimmung über den Planungskredit
ballen sie sich zusammen. Und
schwups wird aus dem Hoch «Tarzisius
» ein Tief «Silva». Unternehmer
Tarzisius Caviezel kontra Pro Natura-
Präsidentin Silva Semadeni, das verspricht
wenigstens abwechslungsreiche
Wetterlagen.
Die Patenschaften ändern aber nichts
daran, dass die Vorhersagen unbrauchbare
Ärgernisse bleiben. Wenn Bucheli
und Co. die falschen Prognosen
hoch auf dem Fernsehdach verlesen,
ergreift uns ein mentales Tief. Klar,
diplomierte Meteorologen möchten
nicht nur Temperaturen ablesen, sie
wollen zeigen, was sie gelernt haben
und gehen dann fälschlicherweise davon
aus, dass dies auch andere Menschen
interessiert. Wolken wie Quallen
heissen Altocumulus Virga und
Blumenkohlwolken entstehen, wenn
Luftschichten labil sind und Luftpakete
sich vertikal umlagern. Wollen wir das
wirklich wissen?
In der nächsten Phase der Wetterberichts-
Verhunzung beschlossen die
Meteorologen auch noch, den Zuschauern
Geografie beizubringen. Als
ob diese nicht wüssten, wo Lü, Naz
und Gy liegen. Dafür sagt uns niemand,
ob es morgen regnet oder die
Sonne scheint.
Ein Meteorologe ist halt ein Mensch,
der heute voraussagt, wie das Wetter
morgen wird, und übermorgen präzise
erklären kann, warum es nicht so war.
Früher, ja, da war es einfacher. Die
vernebelten Wetterlagenplauderis gab
es nicht, dafür die Bauernregeln. Darauf
konnte man sich noch verlassen:
«Auf der Alp, da ist gut lieben, denn
im Herbst wird abgetrieben.» Diese
Regel beispielsweise ist so einfach,
dass jede sie kapiert. Für die eine oder
andere mag es zu spät sein, klar aber
ist: Für die Hochs haben wir den Sommer.
Leider kann man sich heute nicht
mehr auf diese jahrhundertealten
Weisheiten verlassen. Seit sich nicht
einmal mehr die Bauern an die zehn
Gebote halten, hält Gott sich auch
nicht mehr an die Wetterregeln.
Der Tourismus verdrängt obendrein
die letzten Bauern von der Scholle
nach der Regel: «Stirbt der Bauer
schon im Mai, wird eine Ferienwohnung
frei.»
Uns bleibt dann wirklich nur mehr,
den Hochs und Tiefs Namen zu verpassen.
Für die Tiefs des nächsten
Jahres bereits reserviert sind «Sandra»,
«Daniela», «Christoph» und «Thomas».
Als Dank sozusagen, dass diese weiterhin
im Fernsehen Hochs prognostizieren,
aus denen es dann regnet.
Stefan Bühler