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Wahlen

Schön zu sehen, wie sich alle um die Gunst der Wähler bemühen. Der Oktober hat es ja auch in sich, hier werden die politischen Weichen für die Zukunft gestellt. Auch die politisch Harten. Hört sich pathetisch an, ist es auch. Die Zukunft der Schweiz hängt ab vom Kumulieren, Panaschieren, von Listenverbindungen, Unterlistenverbindungen, Umfragen, Wahlbeteiligung, Proporz, Voll- und Restmandaten und nicht zuletzt von fähigen Kandidaten, die auch als Politiker zu allem fähig sind. Oder einfacher gesagt: Heute sieht der kleine Mann rot, wählt grün und arbeitet schwarz.
Wer den Wahlakt immer noch nicht begriffen hat, hält sich an die einfachere sportliche Variante. Wenn Xherdan Shaqiri sagt «Ich bin Kosovo- Albaner» ist das vergleichbar mit John F. Kennedys «Ick bin ein Berliner»: Beide geben mit ihrem Bekenntnis einem Land in Not wieder Hoffnung und die Politik lässt sich dann leichter ertragen.
Im Bemühen um Aufklärung und Verkennen ihrer Aufgabe steigern sich dann die Medien in einen Aktivismus. DRS3 versucht mit allen Mitteln, die Stimmbeteiligung auf über 50 Prozent zu erhöhen und die HTW in Chur sollte mit einer Wählerumfrage im Auftrag der Lokalpresse den durchschlagenen Erfolg ihrer letzten Umfrage wiederholen. Damals prognostizierte sie ja, dass die CVP aus der Regierung fliegt und die FDP massive Verluste bei den Grossratswahlen erleidet. Kann schon mal vorkommen, dass Wunschdenken mit Demoskopie verwechselt wird. Zur Wiederholungstäterin wird die HTW nicht, die Notbremse wurde rechtzeitig gezogen.
Verstehe das, wer will, aber so richtig schlau wird ja keiner mit diesem Wahlprozedere. Demokratie ist schon etwas mühsam, abgesehen davon, dass sie mit ihren vielen Wahlen auch unsere Politiker schleisst. Drum schmeissen sie dann in der Blüte ihres Lebens den Bettel einfach hin. Unnötig zu betonen, dass die Blüte des Mannes beinahe das ganze Leben umfasst. Einige wechseln direkt vom Plenarsaal ins Altersheim, andere nehmen noch den Umweg nach Hause und drohen damit, sich vermehrt Frau und Kindern zu widmen. Freuen darüber tun sich bestenfalls die Enkel und Urenkel.
Gelegenheiten gibt es genug, um unserem Nachwuchs das Wesen der Demokratie zu erklären. Am einfachsten geht das mit einer Parabel, die wir nachfolgend als Lehrstoff erzählen möchten: Fragt der Sohn den Vater: «Vati, was ist eigentlich Politik?» Sagt der Vater: «Das ist einfach erklärt: Ich verdiene unser Geld, also bin ich der Kapitalismus. Deine Mutter verwaltet das Geld, sie ist die Regierung. Grossvater schaut, dass alles seine Ordnung hat, also ist er die Gewerkschaft. Es geht um dein Wohl, also bist du das Volk. Unser Dienstmädchen ist die Arbeiterklasse und dein kleiner Bruder bedeutet die Zukunft!»
In der Nacht wacht der Sohn auf, weil der Bruder schreit, er hat in die Windeln gemacht. So geht er ins Schlafzimmer der Eltern und versucht die Mutter zu wecken, doch die schläft zu fest. Also geht er den Vater suchen und sieht, wie der sich mit dem Dienstmädchen im Bett vergnügt, während der Grossvater versteckt zuschaut. Am Morgen sagt der Sohn zum Vater: «Vati, jetzt weiss ich, was Politik ist: Der Kapitalismus missbraucht die Arbeiterklasse und die Gewerkschaft schaut zu, während die Regierung pennt. Das Volk wird vollkommen ignoriert und die Zukunft liegt in der Scheisse.»
Gescheite Menschen wie George Ber- nard Shaw haben andere Definitionen. Für sie bedeutet Demokratie die Wahl einer beschränkten Mehrheit anstelle der Ernennung durch eine bestechliche Minderheit. Das gibt ja auch nicht jenes lupenreine Ergebnis wie einst in einer Münstertaler Gemeinde, wo kein einziges Votum abgegeben wurde. Der Gemeindepräsident war auf der Jagd und hatte vergessen, die Urnen aufzustellen.
Und manch einer trauert diesem Ereignis nach, wünscht sich gar insgeheim, dass möglichst viele Gemeindepräsidenten auf der Jagd sein werden.

Stefan Bühler

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