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Facebook

Zugegeben, manchmal ist ein Facebook- Konto praktisch. Wozu haben wir denn sonst das Web? So erfahren wir also just in time, dass ein entfernter Bekannter heute früher nach Hause geht, weil sein Hund krank ist. Das sind dann doch Denkanstösse von hoher Qualität. Sie zwingen einen geradezu, sich nach dem weiteren Schicksal zu erkundigen. Facebook hilft weiter, schon am nächsten Tag gibt es Neuigkeiten. Er ist nämlich inzwischen verstorben. Überlebt hat nur der Hund. Erinnert schwer an das Melodrama von Nik Hartmann und seiner Jabba, nur dass dort Herrchen überlebt hat.
Ob verstorben oder lebend, aus einem Facebook-Konto kommt man nie mehr heraus. Das wäre nicht so schlimm, würden sich die Nutzer an simple Regeln halten. Fotos aus dem Schlafzimmer, die Qualifikation des Chefs und die eigene Beziehungskiste gehören nichts ins Netz, sonst ist man auf alle Zeiten darin gefangen.
Kaum jemand hält sich daran. Die meisten, die bei Facebook angemeldet sind, verfluchen dies regelmässig. Dieses werbeverseuchte Netz vermittelt den Zwang, sich laufend einzuloggen, um sich mit Banalitäten herumzuschlagen. Friedrich Schiller (3575 Freunde auf Facebook) hat das richtig eingeschätzt: «Das eben ist der Fluch der bösen Tat, dass sie, fortzeugend, immer Böses muss gebären.»
Es gäbe ja noch andere Spielwiesen auf Facebook, rein philosophische zum Beispiel. Sogar Positives gibt es zu vermelden. Denn hier ist der Platz, wo die Jugend noch miteinander redet. Wo sie Freunde sucht und selbst Freund von allen möglichen Zeitgenossen werden kann. Roger Federer etwa, von dem wir erfahren, dass er kürzlich um 4 Uhr aufstehen musste, weil einer seiner Zwillinge krank war. Federer muss sich dabei nicht allein fühlen, 9 193 496 Menschen gefällt das. Nachzulesen auf Facebook unter seinem Konto. Vermutlich kennen alle Roger und er nur die Wenigsten seiner Fan-Gemeinde. Was man von Obermutten, einer richtigen Gemeinde hoch über der Schinschlucht, nicht behaupten kann. Dort kennt man alle Freunde, die sich auf Facebook angemeldet haben, werden diese doch mit ihrem Profil am Anschlagbrett der Gemeinde fotografisch verewigt. Das schwarze Brett war nach wenigen Tagen zu klein, auf vier Anschlagbrettern prangern unterdessen aktuell 11 731 Fans. Mitten in Chiavenna steht der Vorgänger von Facebook, ein echter Pranger mit Halseisen.
Zwischen Federer und Obermutten gibt es noch Varianten. Die manchmal zu denken geben. Weshalb Friedrich Nietzsche 148 000 Facebook-Fans hat, ist schleierhaft, zumal der Existenzialist gar nicht mehr existiert. Im Vergleich zu seinesgleichen – auch berühmt und genauso tot – schneidet er gewiss noch gut ab, jedenfalls liegt Nietzsche vor Sartre, Camus und Ernst Jünger. Wer dann noch weitere Vergleiche mit Philosophen wagt – zwischen Karl Marx («Proletarier aller Länder vereinigt euch») und Astrid Lindgren («Es gibt kein Verbot für alte Weiber, auf Bäume zu klettern») –, der stellt beruhigend fest, dass der real existierende Sozialismus weniger Anhänger hat als Pippi Langstrumpf und die Kinder von Bullerbü zusammen. Beruhigend deshalb, weil den Facebook- Nutzern Pipi Langstrumpf (Lindgren) zahlenmässig näher steht als das Kapital (Marx).
Jonathan sagt zu Krümel in Lindgrens Buch «Die Brüder Löwenherz»: «Aber es gibt Dinge, die man tun muss, sonst ist man kein Mensch, sondern nur ein Häuflein Dreck.» Womit die Philosophie auch für die Facebook-Generation auf die einfachste Formel heruntergebrochen wird. Wenn’s Plumps macht, ist es Physik, wo ein Häuflein Dreck bleibt, ist es Metapher.
Die Festtage nahen und wir vermissen die Weihnachtskarten und handgeschriebenen Briefe. Oder doch nicht? Der liebe Gott hat schliesslich nur 864 Anhänger, dafür schafft es der Weihnachtsbaum auf 430 000. Womit die Relationen klar sind: Kommerz schlägt Glaube, beides zusammengezählt ergibt dennoch eine schöne Anhängerschaft.

Stefan Bühler

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