70 Plus
Männer bekommen Rente, wenn sie 65 Jahre alt sind, Frauen mit 64 Jahren. Zumindest in der Schweiz, da ist die Welt noch in Ordnung. Auch wenn die Stufe zwischen Mann und Frau lediglich ein Lebensjahr beträgt. Anders sieht das in Schweden, Finnland und Luxemburg aus, drei Länder ohne Geschlechterunterschied. Pensioniert ist man mit 65, basta.
Sogar die Franzosen machen keinen Unterschied mehr, ausser dem kleinen, dass beide 60 Jahre alt sein müssen. Gleichheit magari auf tiefem Niveau. Je schneller man sich selbst dem AHV-Alter nähert, desto tiefsinniger werden die Gedanken dazu. Schliesslich streben alle einen Return of Investment an. Dazu muss man aber erst einmal so alt werden. Ein probates Mittel dazu ist der lebenslange Versuch, durch Ernährung dem Tod zu entkommen. Irgendwann scheitert man aber auch damit, aber gelohnt hat es sich allemal.
Von den Griechen lernen wir, wie dem Tod mit gesunder Nahrung ein Schnippchen und dem Staat mit ungesunder Einstellung ein ebensolches geschlagen werden kann. Der beste Beweis dafür liefern Tausende von Griechen, die gemäss Rentenstatistik 120 Jahre oder noch älter sind. Statt sich darüber zu freuen, prüft die Regierung in Griechenland, ob es die vielen Hundertjährigen überhaupt gibt, die im Lande Rente beziehen. Oder ob sie nicht schon vor Jahren gestorben sind und ihre Nachkommen die Altersrente weiter beziehen. Als der damalige Sozialminister Pascal Couchepin 2003 von einer Erhöhung des Rentenalters auf 67 Jahre sprach, rief er in weiten Kreisen einen Sturm der Entrüstung hervor.
Dabei hatte er noch viel zu tief gestapelt, inzwischen geht der Trend viel weiter. «Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an» sang der österreicher Udo Jürgen Bockelmann erstmals 1978, als er selbst erst 44 Jahre alt war. Heute mit 78 weiss er wenigs tens, was er sich damit eingebrockt hat. Alte Leute sind gefährlich, sie haben keine Angst vor der Zukunft. Deshalb wohl sinniert der junge Schnösel Dölf Ogi (70) darüber nach, ob sich Christoph Blocher (71) nicht altershalber aus der Politik zurückziehen sollte. Derweil zeigen andere, wo es langgeht. In Deutschland wurde soeben ein 72-Jähriger zum Bundespräsidenten gewählt, Rente hin oder her. Die bezieht jetzt sowieso Christian Wulff (52), allerdings nicht altersbedingt. Was heisst denn schon mit Anstand alt werden, wenn es auch mit jung unanständig geht. John McCain war mit 72 Präsidentschaftskandidat der US-Republikaner, Ronald Reagan begann mit 70 als Präsident der Vereinigten Staaten, Konrad Adenauer wurde mit 73 Bundeskanzler und der 12-jährige Wolfgang Amadeus Mozart schrieb «Bastien und Bastienne» im Alter von...aber das ist eine andere Geschichte. Anerkennen wir doch einfach, dass die Generation 70 plus für den nötigen Schwung und Fortschritt sorgt. Wo heute Rollstuhlgängigkeit nur für Grossratsgebäude vorgeschrieben ist, dürfte das morgen für McDonalds, Zweitwohnungen und politische Karriereleitern Pflicht sein. Google Maps wird bereits mit einer übersicht zum nächstgelegenen Treppenlift erweitert. Kurzum: Rentenalter 65 ist out. Die Lösung heisst arbeiten bis zum Umfallen, denn sie verhindert, dass wir in die demografische Falle tappen. Wenn 70-Jährige wieder voll arbeiten dürfen, werden heutige Engpässe eliminiert. Die raren SBB-Plätze werden nicht mit Dumpingpassagieren blockiert, die zum reinen Zeitvertreib durch die Gegend rattern. Kein Pensionierter findet mehr Zeit, sich an den Volkshochschulen breitzumachen und teure Studienplätze zu besetzen. Und nicht zu unterschätzen: Ein Rentner-Bike, das am Akku bleibt, verstopft keine Wanderwege mehr. Politisch ist es angebracht, mit längeren Arbeitszeiten das Leben für alle zu vereinfachen. In einer zweiten Phase kann dann immer noch über kürzere Lebenszeiten nachgedacht werden. Ein probates Mittel gegen das Altwerden ist der Sekundenschlaf bei Tempo 120 auf der Autobahn.
Stefan Bühler