Ich bin tot
«Ich bin tot», schreibt Klaus A. kurz und bündig in seine eigene Todesanzeige. Unfreiwilligen Humor fin- det man in dieser Rubrik oft, auch wenn der Tod ja nicht wirklich lustig ist. Sprachliche Verrenkungen lassen trotzdem manchmal schmunzeln. Roland J. publizierte seine Todesanzeige: «Ich bin umgezogen, meine neue Adresse: Friedhof Rehalp. Auf Besuch freue ich mich.» Über eine Partnerschaft mit dem Himmel schreibt der Mann der verstorbenen Edith S.: «Meine liebe Frau hat Gott zu sich genommen.» Etwas zweideutig auch die Verabschiedung eines verstorbenen Arztes: «Zum Tod von Dr. med. Volker Poetsch fällt mir nur ein Wort ein: Danke. Ein Patient.» Todesanzeigen, die nicht ins Kapitel Humor gehören, können auch durch ihre versteckten oder offenen Botschaften Aufsehen erregen. Als ein junger Mann aus Graubünden Suizid beging, gab der Vater die Schuld daran in der Todesanzeige unverblümt seiner Ex-Frau. Und gerade kürzlich konnte man in einer anderen Bündner Todesanzeige im Anschluss an die Danksagungen folgendes lesen: «Nicht danken möchte ich unserem Gesetz, den Anwälten und den Behörden, die die Verstorbene so lange im Stich gelassen haben.» Ziemlich direkt, diese öffentliche Anklage in einer Traueranzeige. Nicht weniger anklagend folgende Anzeige: «Mein Schwiegervater Josef K., die Personifizierung geistigen Hochmutes und menschlichen Versagens, starb im 91. Lebensjahr.» Übungshalber gab Markus Zimmerli aus Wädenswil seine eigene Todesanzeige auf, worauf am nächsten Tag in der gleichen Zeitung die Berichtigung von Monika und Michael Zimmerli wie folgt erschien: «In der Ausgabe vom Mittwoch erschien von unserem Vater Markus Zimmerli eine von ihm aufgegebene Todesanzeige. Wir möchten hiermit klarstellen, dass er lebt und es ihm gut geht.» Na dann, ad multos annos. Todesanzeigen faszinierten die Leute schon immer, in den Tageszeitungen werden sie neben Sport- und Lokalnachrichten am meisten gelesen. Das wollte sich einst auch das «Bündner Tagblatt» – selbst gerade wieder einmal auf dem Sterbebett – zu Nutze machen und lancierte eine Plakat- Aktion. Geworben wurde um die Todesanzeigen, die im BT kostenlos publiziert würden. Trotz dieses verlockenden Angebotes wurde in Graubünden statistisch gesehen nicht mehr gestorben als anderswo. Die Kosten spielen am Tage der Trauer meist keine Rolle, das Erwachen kommt erst mit der Rechnung danach. So beklagte sich eine Witwe nach dem Tod ihres Mannes bitterlich: «Jetzt habe ich so viele Rechnungen erhalten, mir wäre fast lieber, er wäre nicht gestorben.» Andern kann es nicht teuer genug sein. So erfuhren die Leser auf der Seite mit den Todesanzeigen von einer Frau G., dass ihr Mann verstorben sei. Und eine Zeitungsseite weiter veröffentlichte dieselbe Frau G. eine Familienanzeige, in der es hiess: «Jetzt wird gefeiert!» Dann Prost und viel Vergnügen. Für Nachrufe gilt in der Regel das lateinische «De mortuis nil nisi bene» (über die Toten rede nur wohlwollend). Daran hielt sich auch ein Pfarrer in der Ostschweiz in seiner Abdankung, worauf der Sohn des Verstorbenen aufstand und vor versammelter Trauergemeinde klarstellte, dass das Gesagte nicht wahr sei. Sein Vater habe im Gegenteil die Familie terrorisiert und die Mutter geschlagen. Papier ist geduldig, dachte sich auch der heutige Südostschweiz-Verleger, als er am 30. Juni 1999 im Nachruf auf den verstorbenen Dr. Rudolf Gasser über dessen Grundsatz schrieb: «Nur die Qualifiziertesten dürften einen Medienbetrieb führen. Familienmitglieder geniessen dabei keine Vorrangstellung. Er hat – modern und weitsichtig – die Unternehmung weitgehend von den Familien getrennt.» Aus den Nachrufen können wir also lernen, was modern und weitsichtig wäre.
Stefan Bühler